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Das Rudolf Steiner Archiv wird zum Forschungs- und Ausstellungsarchiv

Obwohl das Archiv bereits für eine öffentliche Benutzung voll zugänglich ist – dafür ist es noch nicht genügend erschlossen. Jetzt wird es jedoch eine Gewichtsverschiebung hin zu einem Forschungs- und Ausstellungsarchiv geben mit einer kontinuierlichen Feinerschliessung der Archivalien

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Die Begegnung der Pole hängt von uns ab

Das Zusammenleben wird schwierig, da der antisoziale Charakter der Individualisierung unserer Gesellschaften überhandnimmt und uns daran hindert, einander zu begegnen. Die Vielzahl von Standpunkten führt zu allen möglichen Lebensentwürfen, die oftmals kollidieren.

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Neue Leitung des Rudolf Steiner Archivs

David Marc Hoffmann, der seit 2012 das Rudolf Steiner Archiv leitet, geht per Ende März 2025 in den Ruhestand. Ab April 2025 werden die Slavistin und Waldorfpädagogin Dr. phil. Angelika Schmitt und der Ökonom und Philosoph Philip Kovce als Team die Leitung des Archivs übernehmen.

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Die zwei neuen Mitglieder im Vorstand

Mit den folgenden beiden Porträts sollen die Impulse und Anliegen von Michèle Grandjean Cordes und Jonathan Keller sichtbar werden.

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Ostern 2024

Am Ostersonntag wird im Christentum der Auferstehung Christi gedacht und damit die Osterzeit eingeleitet. Der Ostersonntag fällt in der Westkirche auf den ersten Sonntag nach dem ersten Frühlings-Vollmond und ist der achte und letzte Tag der Heiligen Woche und damit zugleich die Oktav des Palmsonntags.

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Der Wille und die neue Spiritualität

Unter diesem Titel fand vor wenigen Wochen das Wochenendseminar im Jugendsektionshaus und rund um das Goetheanum statt. Die Jugendsektion am Goetheanum wird endlich wieder mehr zu einem Seminarzentrum.

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Die Stiftung Edith Maryon

Am 2. Mai 2024 gedenken wir unserer Namensgeberin, der Bildhauerin Edith Maryon, anlässlich ihres 100. Todestages.

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Die Begegnung der Pole hängt von uns ab

«Anthroposophie –Schweiz» IV 2024

Marc Desaules

In der grossen Welt führen sie zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit unsäglichem Leid und Verwüstung. In der anthroposophischen Bewegung führen sie zu internen Streitigkeiten und zur Entwicklung von Oppositionen, die die grossartigen Perspektiven der Anthroposophie aus den Augen verlieren lassen und von den Aufgaben ablenken, die uns obliegen angesichts der raschen und dramatischen Entwicklung der Zivilisation hin zu einem Verlust der Sinngebung.

Ich denke nicht, dass wir durch die Aufstockung des Verwaltungs- und Statutenapparats unserer Anthroposophischen Gesellschaft geeigneter werden, eine menschlichere Zukunft zu fördern. Und ich würde sagen, dass es in der Tat nur wenig gibt, was an der Konstitution unserer Gesellschaft selbst zu ändern wäre! Wir müssen unsere Aufmerksamkeit anderswohin lenken: Auf unsere Art zu sehen und zu handeln und auf unser eigenes Engagement für die Aufgabe.

Jede Regel – ob statutarisch oder nicht –, die wir uns selbst auferlegen, auch wenn wir dies gemeinsam mit der Mehrheit einer Generalversammlung tun, um sie dann zu befolgen, ist ein Instrument der Vergangenheit, das nicht in unsere Epoche der Bewusstseinsseele passt. Anders gesagt – beachten wir: Lassen wir uns nicht von Statuten vorschreiben, wie wir uns zu verhalten haben, sondern ändern wir zuerst von uns aus, unsere Art zu sein und zu handeln und passen erst dann die Konstitution daran an – weil wir noch nicht ohne dies auskommen.

Eine Dreigliederung, ja, aber wie?

Seit jeher empfinde ich ein Unbehagen, wenn ich höre, wie unsere anthroposophische Bewegung dreigeteilt wird mit den Worten: Die Freie Hochschule für Geisteswissenschaft, in der Welt draussen die Anwendungsfelder, und, in der Mitte, die Anthroposophische Gesellschaft. Dieses Bild taucht sehr oft auf, ist fast allgegenwärtig. Doch muss ich gestehen, dass es in mir wie eine Abstraktion nachklingt.

So zu denken, hat uns vielleicht sogar in die Situation gebracht, in der wir uns befinden, und verhindert, dass der Impuls der Weihnachtstagung 1923/24, getrennt vom Lebensstrom der Aktivitäten, in unserer Gesellschaft Fuss fassen kann und sie so einem gewissen Sektierertum verfällt. Rudolf Steiner spricht von dieser Gefahr bereits im April 1919: «Ich bin gefragt worden, ob denn nicht innerhalb unserer Gesellschaft die Dreigliederung verwirklicht werden könnte: Wirtschaftsleben, Rechtsleben, geistiges Leben. Man kann gewiss so etwas mit Worten aussprechen, wenn man sehr gut drinnen steht in unserer Bewegung, wenn man es ganz ehrlich und tief meint mit unserer Bewegung. (…) Man hat gar nichts verstanden von dem, was ich über die soziale Frage gesprochen habe, wenn man denkt, unsere Gesellschaft hier könne man wie eine Sekte dreigliedern!»1

Sich der Dreigliederung zu nähern, nimmt einen ganz anderen Weg. Es bedeutet, zunächst die Polarität wahrzunehmen und dann nach ihrer Begegnung zu suchen, diesem mittleren Element, das oft von ganz anderer Art ist. Ein Beispiel par excellence finden wir in den Worten des Grundsteins: «Du lebest in den Gliedern» einerseits und «Du lebest im ruhenden Haupte» andererseits, zwei Stellen des Körpers. Aber das dritte «Du lebest im Herzens-Lungen-Schlage» ist zunächst einmal kein Ort des Körpers, sondern ein Agens, eine Aktivität: das Pulsieren. Das Dritte ist nicht von derselben Art! In einem vergleichbaren Sinne gab es am Goetheanum nicht drei Kuppeln, sondern zwei polare: die grosse und die kleine; das dritte Element muss anderswo gesucht werden, in der Begegnung zwischen Bühne und Saal, einer Aktivität durch Sprechen und Hören. Oder nochmals in einem ganz anderen Bereich, dem der Arzneimittel: Das Cardiodoron besteht ebenfalls im Wesentlichen aus zwei polaren Pflanzen, der Eselsdistel und der Schlüsselblume, die durch eine dritte, dem Schwarzen Bilsenkraut, giftig, wenn nicht stark verdünnt, man könnte sagen aktiviert, zueinander geführt werden.

Dieses Prinzip einer Polarität, transzendiert durch die Begegnung, die zu Bewegung und Leben wird, ist ein Schlüssel der Dreigliederung.

Gesellschaft und Hochschule

Wie steht es nun mit dieser Polarität in unserer anthroposophischen Bewegung? Wir finden sie in den Gründungsstatuten unserer Gesellschaft verankert. Ihre soziale Architektur ist wie die bauliche des alten Goetheanums mit seinen zwei Kuppeln: zwei Räume polar zueinander, der der Anthroposophischen Gesellschaft und der der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft, mit zwei Arten von Mitgliedern, denen, die mehr über Anthroposophie lernen wollen, und denen, die sie in der Welt repräsentieren wollen. Dies wurde bereits bei anderer Gelegenheit erwähnt und muss hier nicht weiter vertieft werden.2

Es stellt sich die Frage: Wie kommt es hier zu einer Begegnung? Betrachten wir zunächst die Situation der Verantwortlichen in jedem dieser Räume. Auf der Seite der Hochschule haben wir das Kollegium der Sektionsleitenden, das die Leitung der Hochschule in einer noch eher impliziten als expliziten Form übernimmt. Auf der Seite der Gesellschaft haben wir den Vorstand, der die Leitung der Gesellschaft innehat und seit 2011 in regelmässigen Abständen von einer Mitgliederversammlung bestätigt wird. Diese beiden Personengruppen sind dazu berufen, die Freie Hochschule für Geisteswissenschaft einerseits und die Anthroposophische Gesellschaft andererseits jeweils eigenständig zu führen. Was geschieht, wenn sie sich begegnen? Sie bilden die Goetheanum-Leitung und kümmern sich um das Leben und die Ausstrahlung der Aktivitäten des Goetheanums: Forschungs-, Arbeits- und Konferenzzentrum, Empfangsort und Archiv, Campus, kurz: eine Fülle von Aktivitäten, die das kulturelle Potenzial der Anthroposophie an einem Ort – als Anwendungsfeld – verkörpern und manifestieren.

Wenn wir den Horizont erweitern, stossen wir auf das gleiche Motiv. Wir können an ein beliebiges aktives Mitglied der Hochschule denken, das sich auf ein bestimmtes Fachgebiet spezialisiert hat, z.B. Medizin oder Landwirtschaft. Es engagiert sich im Leben, indem es eine Arztpraxis eröffnet oder einen Hof bewirtschaftet. Durch seine Tätigkeit weckt es Interesse in seiner Umgebung, so wie es die Mitglieder in Bezug auf Anthroposophie tun. Haben wir hier nicht eine Replik des Mutterhauses, eine Aktivität in einem Bereich, die die Qualitäten der beiden Kuppeln an einem Ort pulsieren lässt; das berufliche Engagement, das die anthroposophische Sache repräsentiert, und die Anerkennung ringsherum: jeweils wie eine Art kleines Goetheanum in der Welt lebend?

Wo sind also die Anwendungsfelder? Ich sehe sie nicht ausserhalb des Organismus der Hochschule und der Gesellschaft, als seien sie hinzugefügt, um drei zu ergeben und die beiden anderen vom Leben der Realisierungen zu trennen. Nein, die Tätigkeitsfelder entstehen durch die Begegnung der beiden Pole, der Hochschule und der Gesellschaft. Sie sind somit Ausdruck der anthroposophischen Bewegung, die die Zivilisation mit ihren Impulsen befruchtet.

Weil ich mit diesem Bild unserer anthroposophischen Bewegung lebe, fühle ich mich jedes Mal unwohl, wenn die Anthroposophische Gesellschaft als das mittlere Element einer Dreigliederung bezeichnet wird. Ich glaube, dass dieses Bild falsch und seine Wirkung nicht harmlos ist: Es trennt in Gedanken die Anthroposophische Gesellschaft und die Bewegung, ein Gedanke, der wie jeder noch so abstrakte Gedanke mit der Zeit Realität wird.

Ein Teil der Schwierigkeiten, die wir mit den Fragen unserer Konstitution haben, rührt durchaus von dieser Abstraktion her. Zunächst ist die Polarität zwischen Hochschule und Gesellschaft ernsthaft zu fassen, was bedeutet, dass ein Pol keinerlei Macht über den anderen haben kann. Gleichwohl: Wie viele Mitglieder der Gesellschaft fordern immer noch, das Leben der Hochschule mittels einer Mitgliederversammlung zu bestimmen? Der Irrtum ist eklatant.

Zwei Strömungen unterscheiden

Nachdem wir das Gesamtbild der Organisation skizziert haben, können wir einen Schritt weitergehen. Zwei Ströme leben in unserer Freien Hochschule für Geisteswissenschaft mit einer völlig unterschiedlichen Dynamik. Dies gilt, zwar schwerer wahrnehmbar, auch für unsere Anthroposophischen Gesellschaft. Die Zeichnung Rudolf Steiners vom 27. Dezember 1923 macht sie deutlich:

Zwei Gesten treffen aufeinander. Eine Geste aus horizontalen Linien, die die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft und die drei Klassen der Hochschule unterscheidet. Eine zweite Geste aus vertikalen Linien, die die Sektionen unterscheidet. Durch ihre Richtung drücken diese Gesten Dimensionen aus, die nichts miteinander zu tun haben. Aber sie kreuzen sich und sind somit zur Interaktion aufgerufen. Welches sind diese beiden Gesten?

Eine Vorahnung der vertikalen Geste finden wir in der Handlung vom 15. Dezember 1911, mit der eine «Gesellschaft für theosophische Art und Kunst» gestiftet wurde. In einer sehr besonderen Ansprache Rudolf Steiners werden Persönlichkeiten für Bereiche des öffentlichen Lebens, der Künste im Allgemeinen, der Malerei, der Architektur, der Musik und der Literatur interpretiert (so der verwendete Terminus). Es wird darauf hingewiesen, dass so eine Arbeitsweise gestiftet wird, die unter dem Protektorat der Individualität von Christian Rosenkreuz steht, eine Arbeitsweise, die nicht beschreibbar ist, denn dadurch würde ihr Charakter unwahr, wie wenn die Worte «ich schweige» gesagt würden. Darin kann man einen Keim dessen sehen, was erst später mit den Sektionen der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft verwirklicht wird. Vor allem aber kann man versuchen zu erfassen, wie eine solche Arbeitsweise aussehen würde, anstatt einer durch Statuten festgelegten.

Dieser Versuch Rudolf Steiners blieb erfolglos. Dennoch finden wir – sicherlich nicht zufällig – mehrere der so interpretierten Personen im ersten Vorstand des «Johannesbau-Vereins», der im selben Jahr gegründet wurde, um das Grundeigentum, den Bau und die Finanzierung des späteren Goetheanums zu übernehmen. Es waren weniger als ein Dutzend Mitglieder mit Stimmrecht, die diese grosse Verantwortung tragen sollten. Der Bezug zur Hochschule, als dieser Verein 1918 umbenannt wurde ist nicht überraschend: «Verein des Goetheanums der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft», womit auch hier die Arbeit der Sektionen vorweggenommen wurde.

Typisch für diese vertikale Geste, die man als rosenkreuzerisch bezeichnen kann, ist die kleine Anzahl von Personen, berufen aufgrund ihrer bewährten Fähigkeiten und fachlich in einer bestimmten Arbeitsweise engagiert. Die horizontale Geste ist ganz anders. Wie die Horizontalität schon andeutet, ist sie offen mit einer kosmopolitischen Signatur und mit dem Geist unserer Epoche verbunden; man kann sie michaelisch nennen. Diese weltoffene Geste kommt bereits 1912 bei der Gründung der Anthroposophischen Gesellschaft zum Ausdruck: «Es können in der Gesellschaft alle diejenigen Menschen brüderlich zusammenwirken, welche als Grundlage eines liebevollen Zusammenwirkens ein gemeinsames Geistiges in allen Menschenseelen betrachten, wie auch diese verschieden sein mögen in Bezug auf Glauben, Nation, Stand, Geschlecht usw.» Sie wird im Artikel 4 der Gründungsstatuten anlässlich der Weihnachtstagung 1923/24 verankert: «Mitglied kann jedermann ohne Unterschied der Nation, des Standes, der Religion, der wissenschaftlichen oder künstlerischen Überzeugung werden, der in dem Bestand einer solchen Institution, wie sie das Goetheanum in Dornach als Freie Hochschule für Geisteswissenschaft ist, etwas Berechtigtes sieht».

Ähnlich ist diese Geste der Offenheit beim Zugang zur Ersten Klasse. Es liegt am einzelnen Mitglied, initiativ zu werden. Hier geht es nicht um Berufung! Die Bewerbung erfolgt durch die eigene Entscheidung, indem man selbst den Willen, ein Repräsentant der anthroposophischen Sache zu werden, zum Ausdruck bringt. Und die Schule, in die man eintritt, trägt den Namen Michaelschule. Für diese Geste ist die grösstmögliche Offenheit typisch, und dass Entscheidungen von allen selbst getroffen werden. Dann beginnt diese Tafelzeichnung, so abstrakt sie auf den ersten Blick sein mag, Sinn zu machen. Wie begegnen sich der rosenkreuzerische und der michaelische Strom?

Ein ungeahntes Potenzial hängt von uns ab

Es liegt an uns selbst, als Mitglieder, diese Begegnung zu ermöglichen.

In der Hochschule, auf die horizontale Geste gestützt, sprechen wir noch allzu oft, auch wenn sich dies zu ändern beginnt, mit Blick auf die Inhalte der Ersten Klasse. Dabei vergessen wir eine existentielle Komponente. Es ist unmöglich, in die Hochschule einzutreten, ohne auch der Allgemeinen Anthroposophischen Sektion anzugehören, d.h. ohne die erwähnte rosenkreuzerische Arbeitsweise in sich aufzunehmen, die nach 1924, als «ein würdiger Vertreter der anthroposophischen Sache sein zu wollen», formuliert werden kann. Noch viel weiter verbreitet ist diese andere Situation: Ausgehend von unserer Zugehörigkeit zu einer Sektion vergessen wir die andere, horizontale Geste. Es ist aber auch unmöglich, einer Sektion wahrhaftig beizutreten, ohne – zumindest im Prinzip – Teil der offensten Gesellschaft zu sein, die es geben kann, die nichts anderes braucht, als im Goetheanum etwas Berechtigtes zu sehen. Sowohl die erste als auch die zweite Haltung verhindern die Begegnung der beiden Gesten innerhalb der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft und erschweren im besten Fall ihr Pulsieren in der Welt, machen ihn im schlimmsten Fall wirkungslos.

Auch innerhalb der Gesellschaft gibt es diese beiden Gesten. Dies aber ist komplizierter und wirkt in die meisten Konstitutionsfragen. Hier vermischen sich die horizontale michaelische Geste der Anthroposophischen Gesellschaft der Weihnachtstagung und die vertikale rosenkreuzerische Geste des Vereins des Goetheanums, der am 8. Februar 1925 in die heutige Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft umbenannt wurde, miteinander. Am Rande sei daran erinnert, dass die Klinik, der Verlag und die Verwaltung der Anthroposophischen Gesellschaft darin integriert waren, also Unternehmen der damaligen Zeit mit Sektionsleitern an der Spitze. Die Änderungen vom 8. Februar 1925 werden oft als Fehler angesehen. Ich denke, das Gegenteil ist der Fall. Ich sehe darin den letzten Akt Rudolf Steiners, um in der Anthroposophischen Gesellschaft die michaelische mit der rosenkreuzerischen Strömung zu verbinden, wie er es für die Hochschule getan hatte.

Um vorwärts zu kommen, müssen wir in der heutigen Gesellschaft wieder lernen, diese beiden Qualitäten in unserer Art, Mitglied zu sein, zu unterscheiden. Wir haben rechtlich gesehen nur eine Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft und die ist im Handelsregister eingetragen. Einerseits hat sie, auch wenn sie das nicht mehr statutenmässig zeigt, eine horizontale, offene, kosmopolitische Qualität, durch die jedes Mitglied in voller Freiheit Initiativen ergreifen kann, ohne jedoch einen anderen zu beeinträchtigen; nichts von dem üblichen Vereinsmässigen ist hier am Platz. Andererseits, obwohl sie es nicht mehr statutenmässig zeigt, hat sie auch hier eine vertikale rosenkreuzerische Qualität, die für die unternehmerische Handhabung der Initiativen, der Immobilien und Finanzen notwendig ist; hier haben nur diejenigen, die aufgrund ihres Know-hows für die anstehenden Aufgaben berufen werden, ein Recht (und eine Pflicht) zur Entscheidung. Wenn wir also die Entwicklung dieser beiden Gesten durch die Geschichte unserer Gesellschaft verfolgen – nicht dem Buchstaben, sondern dem Sinn nach, der ihnen zugrunde liegt – dann können wir sehen, dass weder die erste, horizontale, noch die zweite, vertikale Qualität die Hartnäckigkeit rechtfertigt, als Mitglied ein Stimmrecht geltend zu machen, wie es heute getan wird.

Letztlich können nur wir, die Mitglieder, ermöglichen, dass sich die beiden Strömungen in der Anthroposophischen Gesellschaft begegnen, damit ihre Friedensmission ausstrahlen und für die Welt fruchtbar werden kann. Dies mag durch eine entsprechende Anpassung der Statuten geschehen. Aber es wird notwendigerweise nur durch einen Verzicht darauf, Macht ausüben zu wollen, wo sie nicht hingehört, und das Erlernen einer neuen Arbeitsweise, die allein auf Vertrauen beruht, geschehen.

Daraus werden wir die Kraft schöpfen, uns zu engagieren.

 

Dass gut werde,

Was wir aus Herzen

Gründen

Was wir aus Häuptern

Zielvoll führen wollen.

von Marc Desaules

 

 

1      Rudolf Steiner, Zürich, 14. Aprill 1919 (GA 190).

2      Peter Selg, Marc Desaules (HG.), «Die Anthroposophische Gesellschaft», S. 147 ff.

 

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